Seit über einem Jahr liefen die Vorbereitungen für den Berlin-Besuch des Jugendgitarrenensembles „cantomano“ vom Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz in Montabaur, nun hat es Anfang Mai 2025 endlich geklappt. Ausgangspunkt für diese Reise waren die Planungen für ein Konzert zum 125. Geburtstag des verdienten Berliner Gitarristen und Komponisten Bruno Henze (1900-1978), der als Begründer der Berliner Gitarrenschule gilt. Seine Schüler haben das Gitarrenensemble, das er am 20. Oktober 1955 gründete, bis heute aufrechterhalten – es existiert also 70 Jahre! Rainer Stelle, der Leiter des Gitarrenensembles „Bruno Henze“, hatte rechtzeitig die Initiative ergriffen und sich an Volker Höh gewandt, um einen Termin für ein gemeinsames Konzert in Berlin zu finden. Beide haben bereits Erfahrung in der Zusammenarbeit, denn 2012 gab es schon einmal ein sehr erfolgreiches gemeinsames Konzert in Berlin – und zwischendurch hat Volker Höh auch viele fantastische Solokonzerte in Berlin und Umgebung gegeben. So konnte nach Überwindung diverser organisatorischer Probleme – Unterkunft und Finanzierung waren die größten Herausforderungen – grünes Licht gegeben werden für das generationenübergreifende Konzert der SchülerInnen aus Montabaur gemeinsam mit den SeniorenInnen aus Berlin!
Auch wenn die Gäste aus Montabaur nach langer Bahnfahrt bei ihrer Ankunft am 30. April erst nach 23 Uhr zur Nachtruhe kamen, waren am nächsten Morgen doch alle munter, um an der angesetzten Wanderung von der Hermsdorfer Jugendherberge durch das Naturschutzgebiet am Tegeler Fließ, vorbei am Humboldt-Schloss bis zur Greenwichpromenade teilzunehmen. Manch einer staunte, wieviel Wasser und Grün er da von Berlin zu sehen bekam, was so gar nicht dem Bild entsprach, das doch die meisten von Berlin im Kopf hatten. Die erste gemeinsame Probe lief dann direkt wie am Schnürchen. Das Berliner Ensemble spielt seit über zehn Jahren ohne Dirigenten. Und so bot es sich an, Volker Höh zu bitten, durchgehend das Dirigat zu übernehmen, auch beim Soloauftritt der Berliner. Dies tat er gern und mit einer lockeren Selbstverständlichkeit, wie man sich einen Dirigenten wünscht.
Am 2. Mai war cantomano in den Bundestag eingeladen. Hier bekamen alle einen guten Einblick in die Geschichte und die Regierungsarbeit. Am Abend stand das erste Konzert in der Kirche St. Maria Magdalena in Niederschönhausen auf dem Programm, nicht ohne davor nochmal zwei Stunden geprobt zu haben. Knapp passten alle 32 SpielerInnen auf die Bühne: 19 GitarristInnen von cantomano, unterstützt von zwei Flötistinnen und einer Schlagzeugerin – sowie zehn Berliner GitarristInnen. Nachdem Rainer Stelle in seiner Begrüßungsansprache den Anlass des Konzertes erläuterte – fünf Spieler sind immer noch dabei, die einst bei Bruno Henze Gitarrenunterricht hatten – eröffneten die Gastgeber das Konzert mit einem Trio von Joseph Haydn, gefolgt von einem Gitarrenduo zweier langjähriger Schüler von Bruno Henze, die zwei Sätze aus seiner „Suite sentimentale“ sehr charmant darboten. Cantomano brillierte in seinem Block mit drei frühbarocken Tänzen, zwei Sätzen aus dem „Concerto Pastorale von Johann Christoph Pez (mit 2 Flöten) und einer Paraphrase über den „Valse triste“ von Jean Sibelius. Das letzte Werk war „cantomano“ gewidmet, komponiert von Sebastian Schubert, einst selbst Schüler am Landesgymnasium. Es bekam mit seinen vielen Stilelementen zurecht besonders großen Applaus. Das Kernstück des Konzertabends war natürlich das 3. Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian in der Bearbeitung von Bruno Henze für 3 Oktavgitarren, 3 Terzgitarren, 3 Primgitarren und 2 Quintbassgitarren. Durch das Zusammenwirken der beiden Ensembles konnten fast alle Stimmen doppelt besetzt werden, so dass ein voller orchestraler Klang erreicht werden konnte. Als Kontrast folgte „Ecce sacerdos magnus“, eine Motette von Anton Bruckner, die er zum 100. Jahrestages der Gründung der Diözese Linz komponiert hatte. Sarah Neuroth, ehemals Schülerin am Landesmusikgymnasium Montabaur, hatte das Werk wirkungsvoll für Gitarrenensemble arrangiert. Vom Bruckner an bis zum Ende des Konzerts waren alle 29 GitarristInnen auf der Bühne, ein imposantes Bild mit durchschlagender Klangkraft. Mit Telemanns wohlbekanntem Konzert D-Dur für vier Violinen, direkt aus der Originalpartitur gespielt, ging es wieder in das Barock zurück. Den Abschluss machte die Tanzsuite op. 168 von Bruno Henze mit dem schmissigen Furiant. Als Zugabe war der berühmte Walzer Nr. 2 aus der Suite für Varieté-Orchester vorbereitet worden, bearbeitet von Dieter Pampel. Durch die Verstärkung mit zwei Flöten und Schlagzeug kamen zum Empfang des nicht enden wollenden Abschlussapplauses nochmal alle Musiker auf die Bühne.
Am 3. Mai lernte cantomano Berlin bei einem kurzweiligen und abwechslungsreichen „Statt-Rundgang“ ein wenig kennen. Und gleich am Abend war dann schon das zweite Konzert, nun in der Dorfkirche von Alt-Tegel. Das Programm war identisch mit dem Programm vom Vortag. Aber sonst war alles anders, denn statt 60 Zuhörern waren es an dem Abend 200! Die Stimmung war von Anfang an sehr gut. Insbesondere gefiel die lockere Unbekümmertheit der jugendlichen GitarristInnen, die scheinbar ohne jedes Lampenfieber die vielstimmigen Werke so gut interpretierten, dass das Publikum zu Bravorufen animiert wurde. Man konnte ihnen ansehen, dass ihnen jeder einzelne Ton Spaß machte. Mit herausragendem Applaus wurde auch das Brandenburgische Konzert und die abschließende Henze-Suite bedacht. Aber alles wurde übertroffen von dem, was nun bei der Zugabe, dem Schostakowitsch-Walzer geschah: Das Publikum sang mit und tanzte – im Mittelgang der Kirche! Auch für den Komponisten eine besondere Würdigung zu seinem 50. Todestag. Alle waren aus dem Häuschen. Ein sensationeller Erfolg! Und cantomano war sich einig, dass „die Berliner echt cool“ sind.
Danach genossen alle gemeinsam das üppige Buffett, dass die Gastgeber im gegenüberliegenden Gemeindehaus zur Feier des Tages vorbereitet hatten. Am Abend verabschiedete man sich, nicht ohne immer wieder gegenseitige Dankbarkeit auszudrücken und das gelungene Treffen von Jung und Alt zu betonen. Am Sonntagvormittag besichtigte cantomano mit „Sack und Pack“ das Musikinstrumenten-Museum an der Philharmonie. Die große Kinoorgel über zwei Etagen beeindruckte das Ensemble am meisten. Und dann ging es mit fast 20 Gitarren zum Berliner Hauptbahnhof – eine wirklich gelungene Konzertreise! Ciao, Berlin, und auf Wiedersehen!
Text und Fotos: Rainer Stelle